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KEIM E+H Nr. 1: Farbe als Gestaltungsmittel im Schaffen von Bruno Taut

» Die Hausform ist eine

» Die Hausform ist eine Kristallisation der atmosphärischen Bedingungen. Sie wird unterstützt durch die Farbe.« Farbiges Kleinod Das Wohnhaus von Bruno Taut – ein Muster für menschengerechtes Bauen. Wenn Architekten ihr eigenes Haus bauen, dann spiegeln sich darin die eigenen Vorstellungen konzentriert wider. Bei Bruno Taut ist dies nicht anders: der Architekt des sozialen Wohnungsbaus nutzte sein Haus auch, um mit dem »luxuriösen« Typus des Einfamilienhauses zu experimentieren. Das Ergebnis ist neben einem gebauten Kleinod südlich von Berlin auch das Buch »Ein Wohnhaus«*, in dem Taut die Planung, die Umsetzung und die grundlegenden Gedanken insbesondere zum farbigen Wohnen festhält. erhalten & gestalten Nicht nur der viertelkreisförmige Grundriss des Tautschen Wohnhauses stellte sich gegen gängige Konventionen. Mit dem viertelkreisförmigen Grundriss des Wohnhauses in Dahlewitz (1926/27) stellt sich Taut gegen alle Konventionen – gegen die Leitbilder der konservativen Kräfte sowieso, aber auch gegen die Vertreter des Neuen Bauens: »Das Ableiern einer »modernen« Formensprache ist im Grunde ebenso veraltet und rückständig wie jeder frühere Stilkanon.« Schnell verleihen die Berliner in der typischen Mischung aus Respektlosigkeit und Assoziationslust dem Wohnhaus Beinamen wie »Tortenstück« oder »Käseecke«. Wenn sie einen Blick in das Innere hätten werfen können, hätte die Fantasie vermutlich noch viel reger arbeiten müssen. Denn Taut gibt jedem Raum eine eigene, polychrome Farbstimmung, die sich an Ausrichtung und Nutzung orientiert. Der sich in den Garten öffnende, westwärts gerichtete Wohnraum beispielsweise zeigt sandgraue Außenwände, die übrigen Wände tragen weinrote Anstriche, die Decke taucht Taut in leuchtendes Rot. Der Boden wird entsprechend der Raumfunktion in ein mittleres, dunkelgraues Feld und zwei blaugraue Felder aufgeteilt. Die sandfarbenen Wände kontrastieren dabei stark mit der Natur vor den Fenstern, die roten Flächen nehmen die untergehende Sonne auf. Stark gesättigte Töne trägt Taut immer dort auf, wo Streulicht oder Schatten vorherrschen. Diese flächigen Farbwerte ergänzen starkfarbige Akzente an Heizkörpern oder Rohren – Taut plant jedes Element farbig durch, um Farbatmosphären zu schaffen, die die Licht- und Farbwechsel der Tages- und Jahreszeiten erlebbar machen. Während die Räume also direkten Bezug zur natürlichen Umgebung nehmen, setzt sich das Gebäude mit seinem Äußeren deutlich von ihr ab. Seiner gerundeten Ostseite, die sich zur Straße hin orientiert, steht die spitz zulaufende Westseite gegenüber, deren scharfer »Schiffsbug« von einem leicht auskragenden Balkon akzentuiert wird. Die von einem Klinkerband gerahmte Ostfassade trägt schwarze Farbe und soll, so Taut, die Morgensonne absorbieren, während die weiße Westseite die Wärme des Nachmittags reflektiert. Damit kann das Haus auch als früher Versuch passiver Solarnutzung angesehen werden. Taut verlässt Haus und Deutschland 1932, getrieben von den politischen Verhältnissen. Den Zweiten Weltkrieg und auch die zeitweise Nutzung durch sowjetische Truppen übersteht das Wohnhaus vergleichsweise unbeschadet. In den sechziger Jahren erwirbt es die heutige Besitzerin von Tauts Erben, kann es aber – auf Grund der latenten Materialknappheit in der DDR – nur mangelhaft in Stand halten oder modernisieren. Da nicht als Baudenkmal eingetragen, erhält die Eigentümerin keine offizielle Unterstützung, erst 1988 kann dank privater Initiativen aus Ost und West mit der Sicherung des – inzwischen doch in die Denkmalliste der DDR aufgenommenen – Baus begonnen werden, nach der Wende schließen sich dann neben aufwendigen Voruntersuchungen die Sanierung des Daches, der Heizung und der durchfeuchteten Putze an. Als es 1991 endlich der Denkmalpflege möglich ist, die Arbeiten am Haus im kleineren Rahmen finanziell zu fördern, geht es sukzessive weiter mit der Bestandsaufnahme der Innenfarbigkeit und der Gesamtrenovierung. Inzwischen ist das Haus dank des Engagements von Architekten, Restauratoren, der Besitzer wie auch der Sponsoren, zu denen Keimfarben gehört, im Originalzustand wiederhergestellt. Das Besondere: Nach wie vor ist das Haus bewohnt, im täglichen Gebrauch – es ist ein Haus für Menschen, ganz im Sinne Tauts also. * Bruno Taut, »Ein Wohnhaus«; Stuttgart 1927 10

Selbst Heizkörper werden genutzt, um Farbatmosphären zu schaffen. Markant der auskragende Balkon auf der spitz zulaufenden Westseite des Wohnhauses. Die Außenseite des „Tortenstücks“ trägt schwarze Farbe und soll die Morgensonne absorbieren. Selbst heute noch ungewöhnlich: eine Decke in leuchtendem Rot. Bruno Taut gab jedem Raum in seinem Haus eine eigene Farbgebung, die sich nach Ausrichtung und Nutzen orientiert. erhalten & gestalten 11

ERHALTEN UND GESTALTEN