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KEIM E+H Nr. 1: Farbe als Gestaltungsmittel im Schaffen von Bruno Taut

» Die vergangenen

» Die vergangenen Jahrzehnte haben durch die rein technische und wissenschaftliche Betonung die optischen Sinnesfreuden getötet. Grau in graue Steinkästen traten an die Stelle farbiger und bemalter Häuser.« Mächtige Streifen erhalten & gestalten 12 Eine selbst für Taut ungewöhnliche Fassadengestaltung: geschoßhohe Farbstreifen. Es soll der Maler Schmidt-Rotluff gewesen sein, der die Idee mit den Streifen hatte. Doch scheint dies Legende zu sein, denn Taut-Experte Winfried Brenne konnte bei seinen umfangreichen Recherchen keinen entsprechenden Beleg finden. Richtig ist auf jeden Fall, dass der Wohnblock an der Trierer Straße eine Sonderstellung innerhalb der Tautschen Farbgebung einnimmt. Denn hier, im Berliner Stadtteil Weißensee, legt Taut über einen der beiden Haustypen des sechsteiligen Ensembles geschosshohe Streifen in Blau, Gelb, Rot und Weiß. Ein große formale Geste, die so nirgends sonst auftaucht. Taut verstärkt hier mit der Farbe die Unterscheidung der beiden Haustypen. So rücken die Fassaden der beiden Einheiten mit den kleineren Wohnungen vom Straßenraum zurück, wenngleich die Treppenhäuser mit ihren kleinen Fenstern vorspringen. Diese Fassaden hält Taut in Weiß. Beim anderen Haustyp sind die Treppenaufgänge integriert, nach außen ersichtlich an den zwischen den Etagen liegenden Fenstern. Sie verzahnen quasi die einzelnen Farbbänder miteinander. Über dem durchgehenden Backsteinsockel beginnen die Streifen mit einem intensiven Blauton, das erste Geschoss trägt Gelb, die zweite Etage Rot, der dritte Stock wieder Gelb, und der Drempel unter dem Dachüberstand zeigt sich in Weiß. Dieser Dachüberstand fehlt straßenseitig bei den zurückgesetzten Häusern, weil die flachen Pultdächer gegeneinander angeordnet sind. Die eigentliche Absicht, vorund rückspringende Fassaden farbig zu betonen, wird von der Dominanz der Streifen jedoch so stark überlagert, dass Taut wohl wieder Abstand von diesem Prinzip nimmt. Jedenfalls sind die zeitgleich entstandenen Hauszeilen entlang der nahe gelegenen Buschallee sehr viel ruhiger gehalten. zur Straße zeigen sich die Fassaden rotbraun mit vorgestellten gelben Loggien und farbigen Akzenten an den Fenstern. Derweil echauffierte sich die Presse über die Streifen, beispielsweise wäre der Berliner »Nordost-Zeitung« 1926 ein Grau lieber gewesen: »Es wäre daher weit vorteilhafter und heimischer wirkend gewesen, wenn man auch die genannten Neubauten mit den üblichen grauen Fassaden versehen hätte. (…) damit unser Ort ein einheitlich sauberes Straßenbild beibehält.« Die Rückseite des Wohnblocks an der Trierer Straße fasste Taut farblich etwas zurückhaltender. Die vorne weißen Bauten sind zum Gartenbereich hin rotbraun gestaltet, ihre mit weißen Farbflächen ergänzten Balkone befinden sich der Fassade vorgestellt. Die anderen Gebäude tragen einen gelben Anstrich, ihre Balkone sind in die Fassade integriert und mit blauweißen, auffälligen Kreuzbändern betont. All dies währt nicht lange, dann erfüllt sich der Wunsch der »Nordost-Zeitung«: Alle Fassaden wurden mit freudlosem Grau übertüncht. 1963 dann sorgt eine Instandsetzung für die Wiederaufnahme des Tautschen Entwurfs, allerdings weichen die verwendeten Farben von den originalen Tönen mitunter weit ab. Erst 1993/94 erhält das Ensemble die einstige Farbigkeit im Rahmen einer umfassenden Bausanierung zurück.

Geschosshohe Farbstreifen in Blau, Rot, Weiß und Gelb hat Taut nur in Berlin-Weißensee eingesetzt. Farblich weniger gewagt sind die Rückseiten des Blocks an der Trierer Straße. Allein die weiß-blauen Kreuzbänder setzen auffällige Akzente. Form- wie Farbensprache wiederholen sich bei dem sechsteiligen Wohnkomplex auch im Detail. erhalten & gestalten 13

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