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KEIM E+H Nr. 1: Farbe als Gestaltungsmittel im Schaffen von Bruno Taut

8 durchlüftbaren und

8 durchlüftbaren und besonnten Wohnungen formieren sich zu einer Anlage, die weder barocksymmetrisch noch mittelalterlich-kleinstädtisch ist. Vom Architekt bewusst eingesetzte Irritationen (Wechsel der Hausformen, aus der Achse geschobene Abschlussgruppe) verfremden die angelegten Symmetriezüge, dennoch entsteht kein uneinheitliches Bild. Der »Hof« als gemeinschaftliche Bauform bindet die individuellen Häusergruppen wieder in ein übergeordnetes System ein. Die Strenge von Reihenbebauungen löst Taut mit Farbkontrasten auf und erreicht so eine lebendige Atmosphäre. Die farbigen Fassaden weckten anfangs bei vielen Zeitgenossen Befremden. In der Gartenvorstadt Falkenberg verwirklichte Bruno Taut ein differenziertes, genau überlegtes Farbkonzept, das zur Grundlage der Architekturfarbigkeit seiner späteren Siedlungsbauten werden sollte. Gemessen an den damaligen Vorstellungen repräsentativen Bauens bedarf es nur wenig Fantasie, um sich die Reaktionen auf farbige Häuserzeilen vorzustellen. Wie Taut in einem Zeitschriftenbeitrag 1919 ausführte, entwickelten die Bewohner der Siedlung allerdings schnell eine emotionale Beziehung zu ihrer »Tuschkastenkolonie«: »Am Anfang erweckte das farbige Bild viel Befremden, da die früher überall vorhandene Tradition der Farbe ganz und gar verloren gegangen war. Besonders der aus den grauen Mietskasernenvierteln kommende Berliner … erklärte den Architekten mehrfach für ›verhaftungswürdig‹. Inzwischen scheinen sich aber die Wellen der Empörung zu glätten, und man beginnt wohl einzusehen, dass man auch mit der Farbe bauen kann und bauen soll. (… ) Die Bewohner der Kolonie übrigens haben sich rasch in das farbige Bild hineingefunden, freuen sich über den Spitznamen ihres Wohnortes ›Kolonie Tuschkasten‹, den ihnen ein Tageblatt-Reporter … gegeben hat.« Seit 1992 wird die extrem vernachlässigte Siedlung umfassend saniert und die originale Farbigkeit wiederhergestellt. Da von Taut kein Farbplan vorliegt, beruhen sämtliche Neuanstriche auf Farbuntersuchungen und Befunden des Architekturbüros Brenne und der Berliner Denkmalpflege GmbH (Häuser Gartenstadtweg 15–33). Die erhobenen Farbtöne, darunter viele Sonderfarben, die Taut selbst anmischte, werden in einer Art Farbbibliothek gesammelt und bei Bedarf für andere Restaurierungsprojekte genutzt. Die umfassenden Renovierungsarbeiten der Siedlung dauern an. Erschwerend kommt hinzu, dass kein Farbplan Tauts vorliegt. An den Reihenhäusern am »Akazienhof« herrscht noch eine eher zurückhaltende Farbgebung vor. Gelbe, blaue und rotbraune Fassadenputze trennen die Hauseinheiten optisch voneinander und abstrahieren die traditionelle Hausform, schließen sie in der Gesamtkomposition aber auch wieder zusammen. Die zweite Bauphase im »Gartenstadtweg« umfasste 93 Wohnungen verschiedenen Typs. Hier kommt der Hang des Architekten zu einer »malerischen« Architektur besonders deutlich zum Ausdruck. »Gemusterte« Fassaden und groß angelegte grafische Ornamentik, die es derart ausgeprägt nur in Falkenberg gibt, machen aus den Häusern richtiggehende kleine Schmuckstücke, ein Grund wohl, warum die Bewohner schnell eine Beziehung zu ihrer Siedlung fanden. Taut, der die Farbigkeit seiner Architektur immer auch als Symbol des »neuen Lebens und Geistes« verstanden wissen wollte, setzte erstmals in Falkenberg seine Vision der Siedlung als ästhetisch und sozial überlegene Wohnform um. Der Vorstellung von einer Architektur, die sich als Erzieherin des Menschen bewähren sollte, blieb er ein Leben lang treu.

Die Applikation der Mineralfarben bietet ein weites Spektrum von Gestaltungsmöglichkeiten, wie hier mit einem markanten Bürstenstrich. Der Traum vom Leben im Grünen für breite Bevölkerungsschichten zu ermöglichen, ist die zentrale Zielsetzung der Anlage. erhalten & gestalten 9

ERHALTEN UND GESTALTEN