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KEIM E+H Nr. 12: Farbe ist Leben - Friedrich Ernst v. Garnier gestaltet Architektur

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»Das eigentliche Bild

»Das eigentliche Bild einer neuen Funktionalität auf dem Land sollte dem einzigartigen charakterlichen MaSS des alten Dorfes gleichen.« Späte Eingemeindung Farbe kann architektonische Fremdkörper mit gewachsenen Baustrukturen versöhnen, sozusagen eingemeinden. Ein Beispiel aus Wöllstein, stellvertretend für viele Orte. erhalten & gestalten Der Charakter gewachsener kleiner Orte wird immer wieder durch großvolumige Neubauten gestört. Auch in Wöllstein, einem Örtchen in der Nähe von Bad Kreuznach, findet sich ein solches Gebäude, das im Erdgeschoss Ladengeschäfte beherbergt und darüber als Wohnhaus für mehrere Familien dient. Nicht nur die Maßstabslosigkeit der Kubatur machte den Bau zu einem Fremdkörper im Ortsgefüge, auch nahm die ursprüngliche Weißfassung der ungegliederten Fassadenflächen keinen Bezug zum regionalen Baustil. Im Zuge der Komplettsanierung des in die Jahre gekommenen Gebäudes wurden die Fassaden rundum wärmegedämmt – und damit war die Chance gekommen, dem Äußeren ein adäquates Gesicht zu verleihen. Das Studio von Garnier löste die Aufgabe in bekannt vielschichtiger Manier – heute ist der Geschäftsbau integriert, ohne sich jedoch dem umgebenden Bestand anzubiedern. Zunächst fällt die erdig-warme Grundstimmung auf, die regionalen Gepflogenheiten entspricht. Die zurückspringenden, vertikal betonenden Zonen um die Öffnungen wurden wieder dunkler gefasst, allerdings mit einem geringeren Kontrastsprung. Interessant sind die horizontalen, zarten Streifungen im Bereich des zweiten Geschosses – sie kompensieren die vertikalen Öffnungsbänder und differenzieren die großen, ungegliederten Flächen. Diese Aufgabe übernehmen auch die malerisch bearbeiteten Teilflächen – hier changieren die harmonischen Farbstellungen organisch und mildern die wuchtige Anmutung der Kubatur. Die Ausführung der Gestaltung übernahm übrigens das Studio von Garnier selbst. Die energetische Sanierung von Bestandsbauten bietet auch für die Ortsbildgestaltung eine enorme Chance, zu mehr Angemessenheit und Harmonie zu gelangen. Projekt: Geschäfts- und Wohngebäude, Wöllstein Bauherr: Fuge Immobilien, Wöllstein Ausführungsjahr: 2008/2009 Standort: Alzeyer Str. 5, Wöllstein 12

Die Jakobuskirche ist eine typische Vertreterin der betonverliebten Sechzigerjahre, als das Baumaterial für fast alle Bauaufgaben genutzt wurde und noch nicht den Nimbus des Hässlichen in sich trug. Auch nicht in Mannheim-Sandhofen, einem Stadtteil mit starkem Bevölkerungszuwachs, der 1960 zur eigenen Pfarrei mit rund 8.000 Mitgliedern wurde. Was fehlte, war eine Kirche. 1965 startete der Bau des neuen Gotteshauses, das 400 Plätze bieten sollte, 1969 folgte die Einweihung. Natürlich wurde die Jakobuskirche als Sichtbetonbau ausgeführt, schließlich sollte sie ja Modernität ausstrahlen. Glas und Holz im Inneren runden das damals genutzte Materialrepertoire ab. Charakteristisch für die Jakobuskirche ist neben ihrem asymmetrischen Grundriss der abgesetzt positionierte, 36 Meter hohe Glockenturm. Rund zwei Jahrzehnte später wurde die Jakobuskirche zum Sanierungsfall. Der Zahn der Zeit und der Witterung macht bekanntlich auch nicht vor Sakralbauten halt, besonders dann nicht, wenn sie aus ungeschütztem Sichtbeton bestehen. Kurzum: 1991 startete die Instandsetzung der von den hinlänglich bekannten Symptomen gepeinigten Betonflächen. Da die Gemeinde nicht mehr von der grauen Schlichtheit ihres Gotteshauses überzeugt war, sollte es auch optisch saniert, sprich farbig werden. Eine für Ernst Friedrich v.Garnier bekannte Situation, neu allerdings war der sakrale Kontext der Gestaltung. Garnier machte sich mit einem stark abstrakten Ansatz ans Werk. Er überlagerte die Betonflächen mit einer aufstrebenden und sich vielfach überschneidenden Lineatur. So ergaben sich zahlreiche neue Flächen, spitzwinklig, mal dreieckig, mal rautenförmig. Jede dieser Flächen erhielt einen spezifischen Farbton, stets Bezug nehmend auf seine Nachbarfarben. Die Farbigkeit entwickelt sich ebenfalls von unten mit erdigeren Nuancen nach oben, wird dabei leichter, sonniger oder ins Blaue strebend. Eigentlich deckend ausgeführt, entsteht so der Eindruck, es handele sich hier um lasierte, sich tatsächlich überlagernde Farbbereiche. Heute gehört die Jakobuskirche zu den Klassikern des Studios von Garnier. »Ein wahrer Kirchenbau übersetzt dem Gläubigen die kirchliche Botschaft des Lichts mit Farbigkeiten.« Aufstrebende Abstraktion Mit der evangelischen Jakobuskirche in Mannheim- Sandhofen betrat Friedrich Ernst v.Garnier Anfang der 1990er-Jahre ein für ihn neues Terrain. Erstmals gestaltete er einen Sakralbau, dem danach weitere folgten. Strahlungszeichnungen nennt v.Garnier diese Flächenauflösung mit fein nuancierten Farbigkeiten, die aufwärts zu streben scheinen. Projekt: Jakobuskirche, Mannheim-Sandhofen Ausführungsjahr: 1991/92 Standort: Domstiftstr. 40, Mannheim-Sandhofen erhalten & gestalten 13

ERHALTEN UND GESTALTEN