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KEIM E+H Nr. 12: Farbe ist Leben - Friedrich Ernst v. Garnier gestaltet Architektur

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Hat die

Hat die Architektur im Blick und arbeitet seit über 40 Jahren für ein menschengerechtes Bauen: Friedrich Ernst v.Garnier. STREITER FÜR EINE FARBIGERE WELT Friedrich Ernst v.Garnier trug die Problematik der visuellen Verarmung des Bauens erstmals schonungslos in eine breite Öffentlichkeit. Damit wurde er zur Leitfigur des modernen, natürlich orientierten Farbdesigns – und prägte eine ganze Generation junger Farbdesigner. erhalten & gestalten Er ist unruhig, stets scheint sein Geist zu arbeiten, frisch Gesehenes wird sofort in den immensen Erfahrungsspeicher aufgenommen, abgeglichen, bewertet. Friedrich Ernst v.Garnier, seit bald vier Jahrzehnten im Thema, meidet nie eine Diskussion, thematisiert stets kraftvoll die Miseren der heutigen Architektur – und würzt auch schon mal mit ordentlicher Polemik. Ende der 1960er-Jahre, als sich der 1935 geborene v.Garnier nach einem längeren Aufenthalt in Rio de Janeiro autodidaktisch der Farbe und der Architektur zuwendete, war dies ein kaum beachteter, um nicht zu sagen ver pönter Aspekt des Bauens. Das sollte sich bald ändern – v.Garnier wurde schnell zum selbstbewussten Streiter für eine „farbigere Welt“, die gerade in billigem Sichtbeton zu erstarren drohte. Im Gegensatz zu seinen Kollegen begnügte sich v.Garnier nicht mit dem stillen Kämmerlein, er suchte die großen Bühnen, die Kontroverse mit den Architekten. Denn die, so v.Garnier, hatten sich von den wahren Bedürfnissen der Menschen um Lichtjahre entfernt und bauten entweder nur für sich selbst, geistlos billig oder setzten sich ignorant über den landschaftlichen, klimatischen, regionalen und ästhetischen Rahmen hinweg. Von den einen als mutiger Befreier aus dem Grau gefeiert, war er für die meisten Baumeis ter ein Querulant oder ein Dekorateur. Selbst dem großen Max Bächer gelang es nicht, in beiderseits mit eindrucksvoller Polemik geführten Diskussionen die Farbe als Gestaltungsmittel für den Bau nachhaltig zu ächten. v.Garnier ging stets gestärkt aus derlei Kollisionen hervor, wohl wissend, die Menschen vor Ort hinter sich zu haben. Eloquent, stilsicher und mit der notwendigen Portion Beharrlichkeit ausgestattet, begann also v.Garnier mit ersten Arbeiten. Die waren durchaus Kinder ihrer Zeit, der aufblühenden Siebziger, und zeigten eine in heutigen Augen intensive Buntheit – auch weil sie gegen die massenhafte Betonsichtigkeit rebellierten. Im Laufe der Zeit entstanden aber immer differenziertere Farbentwürfe, die schließlich in eine organische Farbsystematik überleiteten. Wobei diese „Organische Farbigkeit“ keine Lehre im rezepthaft-dogmatischen Sinne ist – verknüpft sie doch natürliche, vertraute Farbnuancen des jeweiligen Ortes mit der Intuitionsfähigkeit des Gestalters. Trotz vieler Widersacher ist v.Garnier erfolgreich, die Nachfrage wächst und 1976 erwirbt er eine Ruine südlich von Bad Kreuznach. Völlig umgekrempelt, saniert, neu aufgebaut, 18

Der legendäre Hof Iben nahe Fürfeld, kreative Insel und Ort des Austauschs, der Kommunikation, des Arbeitens – einer Lebensphilosophie. »Die organischen Farbigkeiten sind die natürliche Basis allen farbigen Bauens. Keine Meinung für oder gegen einen Geschmack und keine Kunst können auf Dauer eine gute Kenntnis ihrer Regeln ersetzen.« mit Leben gefüllt wird daraus der legendäre Hof Iben, fortan Lebens- und Arbeitsmittelpunkt. Auch heute noch ist der Hof das Zentrum des kreativen Prozesses, der Fassaden, Stadtkerne, Industrielandschaften, Kirchen, Schulen, Krankenhäuser oder Wohnsiedlungen neu definiert. Und trotz seiner Klarheit verschaffenden Abgeschiedenheit in den sanften Hügeln Rheinhessens wurde der Hof bald zum Ort des Austauschs, der Begegnung, ja der neuen Sicht auf die gebaute Umwelt. Seminare finden hier statt – für Handwerker, Investoren, Unternehmer, Konzernchefs und sogar für Architekten. Denn mit den Jahren scheint es zu einer Annäherung zu kommen, öffnen sich die neuen Planergenerationen dem Thema Farbe. Zahlreiche Auszeichnungen und internationale Preise adeln v.Garnier und sein Studio, das ganze Schwerindustrieanlagen im Ruhrgebiet, in Süd- und Nordamerika gestaltet hat. Auch wenn alle Entwürfe die Handschrift und die Intentionen des Gründers v.Garnier tragen, detailliert und dokumentiert werden sie von einem Team engagierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ein Team, das sich im Laufe der Jahre immer wieder neu formierte – und junge Gestalter hervorbrachte, die die Garnierschen Leitideen im eigenen Sinne fortschreiben. Und so könnte man das Studio von Garnier auch als eine Art gestalterischen Durchlauferhitzer bezeichnen, der die Idee, die Präsenz und die Vielfalt des farbigen Bauens in die breite Öffentlichkeit trug und weiter trägt. Die Koordinaten Studio von Garnier Hof Iben, Fürfeld Fon 06709 / 910-0 www.studiovongarnier.de Gedanken und eine enorme Vielzahl ausgeführter Gestaltungen versammelt Friedrich Ernst v.Garnier in drei Büchern: „Meine farbigere Welt – Ein ganz unsachliches Sachbuch“; ISBN 3-9805511-0-5 „Meine farbigere Welt – Menschliche Arbeitslandschaften“; ISBN 978-3-935516-37-2 „Meine farbigere Welt – Meine Organischen Farbigkeiten“; ISBN 978-3-935516-38-9 Als lesenswerte Ergänzung dazu: „Architekturfarben – Lehre der Farbgestaltung nach Friedrich Ernst v.Garnier“ von Martin Benad und Jürgen Opitz; München 2007. erhalten & gestalten 19

ERHALTEN UND GESTALTEN