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KEIM E+H Nr. 13: Chancen für den Wohnungsbau der 50er- bis 70er-Jahre

Sicherlich lässt sich

Sicherlich lässt sich die Erkenntnis von Architekt Hans-Joachim Ewert nicht verallgemeinern. Aber nicht selten werden Wohnbauten aus den 1950er- und 1960er-Jahren vorschnell der Abrissbirne geopfert, weil der Neubau wirtschaftlicher erscheint. Bei den beiden Wohnbauten an der Bremerhavener Ringstraße entschied man sich bewusst anders – basierend auf der Erkenntnis, dass eine Sanierung hinsichtlich Primärenergieeinsatz, Ressourcenverbrauch und Abfallvermeidung besser abschneidet als Abbruch und Neubau. Die Ausgangslage war allerdings auch günstig: „Es stand eine technisch und baukonstruktiv einwandfreie Substanz zur Verfügung, die sich aufgrund ihrer schlichten architektonischen Gestaltung hervorragend für eine Sanierung eignete“, so Hans-Joachim Ewert. Das wiederum ist bei Bauten aus der Nachkriegszeit bekanntlich nicht selbstverständlich. erhalten & gestalten Das zwei Millimeter messende Korn des Keim Brillantputzes legt eine feine Struktur über das Dämmsystem, als Deckbeschichtung dient weiß getöntes Keim Soldalit ® . Noch ein Aspekt sprach für die Sanierung: der Erhalt kultureller Werte. „Gebäude aus den 50er-Jahren haben einen baukulturellen Wert als Zeitdokumente des Wiederaufbaus, gerade hier in Bremerhaven.“ Denn, das muss man wissen, als Marinestandort war die Stadt an der Weser einst beliebtes Bomberziel. 33 Wohnungen befinden sich in den beiden 1958 errichteten Baukörpern, die – lediglich um eine Giebelbreite versetzt – unmittelbar hintereinander stehen. Das günstige Verhältnis von Gebäudevolumen zur Oberfläche und das weitgehende Fehlen architektonischer Sonderelemente vereinfachten die Sanierung und reduzierten die Kosten. Heute tragen die beiden Riegel ein Wärmedämm-Verbundsystem mit 140 Millimeter dicken EPS- Dämmplatten (WLG 035), dazu einen mineralischen Putz mit Körnung zwei Millimeter und eine Farbbeschichtung. Sockel und Eingangsbereiche wurden mit keramischen Verkleidungen abgesetzt. Allein bei der Fassadendämmung sollte es aber nicht bleiben: Kellerdecken- und Dachdämmung sowie neue Fenster schließlich ergeben Niedrigenergiehaus-Niveau. Küchenbalkone wandelte man zu verglasten Wintergärten um, auf den Dächern produzieren Solarzellen Strom und eine zentrale Warmwasserbereitung sorgt für klimaschonenden Komfort. Kurzum: Die Sanierung 4

Die Treppenhäuser der beiden Wohnblöcke sind in unterschiedliche Farben gefasst, was nicht nur einen optischen Reiz bildet, sondern auch die Identifikation unterstützt. sorgt für eine jährliche Minderproduktion von rund 148 Tonnen Kohlendioxid. Hervorzuheben ist, dass die komplette Sanierung im bewohnten Zustand stattfand. „Ein Problem bei Abriss und Neubau ist die unvermeidbare Entmietung, von der in diesem Fall zum großen Teil Erstmieter im Seniorenalter betroffen gewesen wären“, so Hans-Joachim Ewert. Und das wiederum gilt nicht nur in Bremerhaven, sondern ist im Grunde ein Charakteristikum: der hohe Anteil von Mietern, die bereits beim Erstbezug dabei waren und über die Jahrzehnte eine enge Beziehung zu „ihrem“ Wohnhaus aufbauten. Für diese inzwischen hoch betagte Gruppe stellt der temporäre Umzug – selbst mit Rückkehrgarantie – eine enorme Belastung dar. Und so wandte man bei der Modernisierung, die auch die Haus- und Elektrotechnik umfasste, ein besonderes Verfahren an. Sämtliche neuen, vertikal laufenden Leitungen wurden mittels eines neu entwickelten Trassen systems vor der alten Fassade gebündelt und dann in die Wärmedämmung integriert. Die Installationsarbeiten an der Fassade beeinträchtigten die Mieter sehr viel weniger als Umbaumaßnahmen an innen liegenden Schächten. Bei der Sanierung ging es nicht allein um die Energieeffizienz und den Klimaschutz, auch die Steigerung des Wohnkomforts und die demografiegerechte Anpassung spielten mit hinein. So sollten die Wohnungen den Anforderungen des im April 2009 in Kraft getretenen KFW-Förderprogramms „Altersgerechtes Umbauen“ genügen. Diese sehen zum Beispiel Barrierefreiheit oder -reduzierung vor und die Möglichkeit, Wohnungen allen Lebensabschnitten ihrer Nutzer anpassen zu können. Die Gebäude an der Ringstraße erhielten so größere Durchgangsbreiten bei allen Türen, rollstuhlgerechte Bewegungsflächen in den Wohnräumen und Rampen in den Eingangsbereichen. Auch bei der Gestaltung der Treppenhäuser wurde auf die Bedürfnisse älterer Bewohner reagiert: Beidseitige Handläufe, eine bessere Ausleuchtung der Treppenstufen und ein Farbkonzept, das die einzelnen Stockwerke mit eindeutigen, leicht unterscheidbaren Farbanstrichen in Rot, Gelb und Blau kennzeichnet, erleichtern die Orientierung. Im Vordergrund die beiden sanierten Wohngebäude mit Photovoltaik-Modulen auf den Dachflächen. Deren Stromproduktion verbessert die CO 2 -Bilanz um rund 30 Tonnen pro Jahr. Insgesamt vermeidet die Sanierung CO 2 -Emissionen von jährlich 148 Tonnen. Bauherr: Städtische Wohnungsgesellschaft Bremerhaven mbH Sanierungsplanung: Hans-Joachim Ewert, Bremerhaven – mit der Planungsabteilung der Wohnungsgesellschaft Ausführung: Malereibetrieb Mönnich, Bremerhaven Standort: Ringstraße, Bremerhaven erhalten & gestalten 5

ERHALTEN UND GESTALTEN