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Das Spiel der zwei Pole Die Farbe, das Korn und die Transzendenz Jörg Niederberger ist Künstler — und erweitert die Architektur mit malerischen Mitteln: „Bei der Baugestaltung geht es immer um Emotionen und darum, weiter zu gehen als das, was man bereits kennt.“ erhalten & gestalten Kurz vor der Jahrtausendwende beginnt Jörg Niederberger, sich dem ganz großen Format anzunehmen. Damals kommt der Luzerner Architekt Daniele Marques auf den in Niedwalden lebenden Niederberger mit einem besonderen Anliegen zu, einer Schulerweiterung im westschweizerischen Fribourg. Dieses Projekt soll noch eine Farbkonzeption erhalten – Niederberger liefert sie, taucht die Innenräume in leuchtende, großflächig applizierte Töne aus dem ganzen Farbenspektrum. Kurz darauf klopft Marques erneut an, wieder mit einer Schule im Plankoffer. Niederberger setzt jetzt auf monochrome Räume, mit Buntfarben, die sich über fast alle Elemente im Raum ziehen. Für die Fassaden nutzt man einen ungewohnt groben, in erdigem Rot überlasierten Putz. Die Liebe zur groben Struktur und zu ungewohnten Farbkombinationen verbinden Marques und Niederberger, fortan arbeiten beide immer wieder zusammen. 1957 geboren, lässt sich Niederberger zunächst zum Primarschullehrer ausbilden und studiert später Malerei an der Düsseldorfer Kunstakademie bei Prof. Gotthard Graubner. Dort widmet er sich „heterogenen Arbeiten“, angesiedelt zwischen Malerei, Zeichnung und Plastiken mit architektonischen Anklängen. Amorphe und geometrische Formen verschränkt Niederberger zu dialogischen Werken – ein Prinzip, das auch heute die Interpretationen der Bauvolumen kennzeichnet. Dynamisch die beiden Pole Ordnung und Chaos ausbalancierend, reagiert Niederberger immer auf die Architektur. Neigt diese zu Erstarrung, dann bricht er sie auf, zieht Farbwechsel mitten durch die Flächen, stellt neue geometrische Bezüge innerhalb des Bauvolumens her. Jörg Niederberger überlagert nicht einfach die Architektur, er „nobilitiert“ sie, wie er sein Vorgehen nennt. Das heißt, die Volumen werden nicht objektiv interpretiert, sondern subjektiv, aus der Sicht des Künstlers. Und auch aus den Augen der Menschen, die vorbeigehen oder -fahren, auf ihr Tempo werden die Rhythmen, die „Kadenz“ angepasst. Im Grunde erkennt man sofort, dass Jörg Niederberger Künstler ist, weil er sich der Architektur bedient und ihr nicht nur dienen will. In der Wahl seiner Mittel, den Farbtönen, Strukturen und Flächenteilungen, geht Niederberger radikaler als manch seiner Künstlerkollegen ans Werk. Und doch tut er das nicht kompromisslos: Er hört den Bauherren und Architekten zu, erspürt deren „Sehnsüchte“, wie er sagt, und lässt all das in den Prozess der Farbwerdung einfließen. „Respektieren und experimentieren“ nennt Niederberger seinen Umgang mit der Architektur, die in vielen Fällen erst im Entstehen begriffen ist, wenn er an Modellen und Mustern mit seinen Mitarbeite- 18
Schule Steinach Architekt: Gut Deubelbeiss, Luzern Wohnbau Frohheim, Zürich Architekten: Arbeitsgemeinschaft em2n und Müller Sigrist, Zürich Schule Buettenen Architekt: Rohrer Sigrist, Luzern rinnen im Atelier die Kompositionen fixiert. Dabei versucht er stets, etwas Neues einzubauen, eine neue emotionale Komponente. „Es gibt da sicher den einen oder anderen Schreck“, gibt Niederberger zu. „Ich höre dann genau hin, wo der Schreck herkommt und wie ernst er ist.“ Meist, so seine Erfahrung, wandeln sich die spontanen Erstreaktionen im Laufe der Bearbeitung in Zustimmung. Kirche Uetikon Architekt: Daniele Marques, Luzern Aber wie kommen Architekten mit dieser Autonomie der Farbe klar? „Architekten, mit denen ich zusammenarbeite, erwarten eine Interpretation ihres Gebäudes. Gerade jüngere Planer haben kaum Probleme damit, dass die Fassaden eigenständig werden.“ Meist bedient sich Niederberger solcher Farben, an „die sich sonst niemand so recht wagt“. Das können stumpf-vergraute Töne sein oder aber kräftige, leuchtende Farben. Die Umsetzbarkeit der Intensität wird immer wieder zum Thema, weshalb Niederberger die konstruktive Zusammenarbeit mit den Farbenproduzenten pflegt und schätzt. Neben Schulen und Wohngebäuden machen Kirchen einen großen Teil seiner Arbeiten aus. Auch hier kommen die beiden Pole ins Spiel: Sicherheit auf der einen, unsichere Momente auf der anderen Seite. Das soll die Reflektion über das momentane Sein hinaus anstoßen, den Rahmen für Transzendenz bieten, ja diese geradezu heraus fordern. Jörg Niederberger Wer von Luzern nach Engelberg fährt, kommt unmittelbar bei Jörg Niederberger vorbei. Sein Atelier im kleinen Dörfchen Büren befindet sich in einer ehemaligen Industriehalle. Dort arbeitet er mit seinem Team, zu dem vor allem Muriel Stern gehört, mitunter an bis zu zehn Projekten zugleich. Daneben widmet sich Niederberger weiter der freien Malerei, experimentiert mit digitalen Techniken und ist regelmäßig mit Ausstellungen präsent. www.joergniederberger.ch erhalten & gestalten 19
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