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KEIM E+H Nr. 14: Autonomie und Transzendenz Jörg Niederberger und die Architektur

Extremputz über

Extremputz über Sichtbeton Sanierung Primarschule Krauer in Kriens erhalten & gestalten Mit seinen kantigen Volumen aus Sichtbeton ist die Primar schule Krauer ein typisches Kind der 1970er-Jahre und zeigt damit auch die bekannten Symptome der Alterung. Mit der energetischen Sanierung wich der Sichtbeton einer Neuinter pretation mit mächtigen Putzstrukturen. Primarschule Krauer Umsetzung: 2009 Sanierungsarchitekten: Schnieper Architekten, Kriens Bauherr: Gemeinde Kriens Mitarbeit Atelier Niederberger: Muriel Stern, Aurelia Zihlmann, Nicole Wenk Ausführung Fassade: Anliker Bauunternehmung, Emmenbrücke Standort: Krauerstrasse 1, Kriens Produkte: KEIM Soldalit, KEIM Universalputz Gleich hinter dem Schulhaus Krauer geht es hoch zum Pilatus, jenem Berg, der unweit von Luzern aus dem bis dahin flachen Land den schroffen Anfang des Hochgebirges markiert. Schroff ist auch das Schulhaus selbst, 1972 vom ortsansässigen Architekten Ernst Müller als Sichtbetonbau entworfen, der so gar nichts mit der umgebenden Bebauung von Kriens zu tun haben wollte. Stützen lösen es vom Boden ab, was zwar einerseits einen willkommenen, gedeckten Pausenbereich schaffte, andererseits aber die strengen Volumen noch weiter vom Dorf wegrückte. Nähert man sich dem Bau nicht von der Dorfstrasse, sondern von der anderen, parkähnlichen Seite, dann ragt das Schulhaus gar wie ein massiger Dampfer auf Reede von einem mächtigen Sockel ins Land. In diesem Sockel befindet sich die Schwimmhalle, die bereits früher saniert und mit Aluminiumpaneelen verkleidet wurde. So zeittypisch die Architektursprache des Schulhauses, so auch seine Problemzonen, die über die Jahrzehnte zum Vorschein kamen. Undichte Fenster, ein sanierungsbedürftiges Dach und eine mangelhafte Dämmung der Hülle ließen die Ertüchtigung des Gebäudes immer 6

Wo einst Sichtbeton dominierte, interpretieren nach der Sanierung expressive Putzstrukturen und zarte Farben die ursprüngliche Rohheit neu. dringender werden. Zumal Kriens sich mit dem Label „Energiestadt“ schmückt. Gerade die Dämmung entpuppte sich jedoch als Herausforderung: Eine zusätzliche Innendämmung ließ sich wegen des Raumverlusts nicht realisieren, also blieb nur die Außendämmung. Doch mit ihr würde auch die Sichtbetonoptik verschwinden, das Gebäude seinen „Beton brut“- Charakter verlieren. Dass Modernisierung und Authentizität in Einklang stehen mussten, war nicht nur das Anliegen der Sanierungsarchitekten, sondern auch der Denkmalpflege des Kantons Luzern, die im Rahmen der Planungen auf das Gebäude aufmerksam wurde und es in den Denkmalstatus erhob. Mit der Entscheidung der Gemeinde für ein verputztes Fassadendämmsystem formte Jörg Niederberger ein Gestaltungskonzept, das in seiner Anmutung die ursprüngliche Rohheit auf eine neue Ebene transferiert. Er entwickelte vier Putzoberflächen, deren mächtige Strukturen zunächst irritieren, dann aber begeistern. KEIM Universalputz unter Zufügung von strukturgebenden zwölf Millimeter Grobkorn bringt neue Substanz auf die Flächen – in Form von Kellenwurfputz, horizontal gescheibtem Putz auf den Stirnfassaden und vertikalem „Kammzug“ auf den Längsfassaden. Die Ergebnisse sind ungemein expressiv, zelebrieren das grobe Korn und das Zusammenspiel mit dem Licht, das die Plastizität der Oberflächen zum Leuchten bringt. Die Rohheit freilich wirkt keineswegs derb oder brutal, sondern veredelnd, ja geradezu artifiziell. Dazu trägt die differenzierte Farbigkeit bei, mit der die Strukturen überfasst wurden. Denn nur auf den ersten Blick zeigt sich das Schulhaus in Einheitsgrau. Wer sich den Volumen nähert, erkennt schnell subtile Unterschiede. So finden sich fünf unterschiedlich nuancierte Grautöne – mal mit grünlicher, gelblicher, rötlicher, bläulicher Verschiebung, mal in neutraler Anmutung. All diese Töne belegen nach einem bestimmten, leicht versetzten Symmetrieprinzip die einzelnen Fassadenflächen, wobei der Farb- wie auch der Strukturwechsel jeweils an der Gebäudekante stattfindet. Interessant ist zudem die Kombination aus grober Struktur und dezenten Farbtönen – ein Widerspruch zunächst, der aber die Volumen zusätzlich auflädt und in ihrer Einzigartigkeit unterstreicht. Als Akzent in dieser eher ruhigen Farbkomposition tritt dann ein warmes Rotorange auf, das die horizontalen Träger und vertikalen Stützen belegt, auf denen die Baukörper ruhen. Damit betont Niederberger zum einen die tektonische Situation, zum anderen erhält der Pausenbereich mit seiner inzwischen hell gefassten Decke ein motivierend-lebendiges Zusatzelement, das sehr gut zur neu installierten Kletterwand passt. erhalten & gestalten 7

ERHALTEN UND GESTALTEN