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KEIM E+H Nr. 5: Erich Mendelsohn, Hans Scharoun und Max Taut: Architektur des 20. Jahrhunderts

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erhalten & gestalten

erhalten & gestalten Bauhistorische Bestandsaufnahme, Standortuntersuchung, Planung: Pitz & Hoh – Werkstatt für Architektur und Denkmalpflege GmbH, Berlin Bauherr: Schulsenat Berlin Instandsetzungszeit: seit 1992 Neubau Laborgebäude: 1997 bis 2000 Standort: Schlichtallee und Fischerstraße, Berlin-Lichtenberg. S-Bahn-Station Rummelsburg oder Nöldnerplatz Literatur: Max-Taut-Schule Lichtenberg, von Pitz & Hoh GmbH. Herausgegeben vom Bezirksamt Lichtenberg. Nicolaische Verlagsbuchhandlung, Berlin 1997. der Fassaden resultiert die unterschiedliche Farbbehandlung der Fenster: Im dunkelroten Klinker sitzende Fenster tragen Rot und Blau, während Rot und Weiß bei hellen Ziegeln zu finden sind. Auch im Inneren belebt Farbe die schlichten Treppenhäuser, Flure und Klassenzimmer. Wobei Taut offenbar keinen Unterschied zwischen Unterrichts- und Verwaltungsräumen macht und die einzelnen Etagen keiner konsequenten Farbsystematik unterwirft – vermutlich, damit die Flexibilität der Raumnutzung nicht leidet. In den Räumen selbst führen die Fensternischen – in Grün, Rot oder Blau – die Farbigkeit an. Türnischen tragen die gleiche Farbe, die Wände reagieren entsprechend: Grüne Fensternischen kombiniert Taut beispielsweise mit hellgrünen Seiten- sowie beige-gelblichen Türund Fensterwänden. Sonderräume wie Dunkelkammern oder Physikräume fasst er in Schwarz oder Hellgrün, den Treppenhäusern gibt er rote und blaue Anstriche, Hallen und Flure bleiben zurückhaltender in Gelb, rötlichem oder gelblichem Beige. Dazu gesellen sich rotbraunes Linoleum am Boden, das Schwarz der Fensterbänke und das Silber der Heizkörper. Eine vielfacettige Farbigkeit, die aber von den Zeitläufen verschlungen wird und erst über 60 Jahre nach der Entstehung wieder zu Tage tritt. 1992 beginnen die Instandsetzungsarbeiten am Baudenkmal, einschließlich der Befundung der Farbigkeit, die sich allerdings besonders im Hochbau als schwierig erweist, da sich hier größere bauliche Eingriffe abspielten. Auch der Turnhallenbau war von solchen Änderungen nicht verschont, während die anderen Bauten glimpflich davonkamen. Was für die Aula leider nicht zutrifft: 1945 brennt sie während eines Luftangriffs aus, es bleibt eine dachlose Ruine. 50 Jahre ist sie der Witterung ausgesetzt, bis sie 1995 per Einhausung vorläufig gesichert wird. Ihr weiteres Schicksal bleibt aber ungewiss. Die anderen Bauten dienen derweil nach wie vor der Bildung: Heute finden sich in dem zur Max-Taut-Schule umbenannten Komplex verschiedene Berufsschulen. subtile erneuerung In der einstigen Doppelturnhalle befindet sich jetzt die Cafeteria der Schule. Bei der Instandsetzung stellte man die originale Farbigkeit wieder her. Das Instandsetzungskonzept des Büros Pitz & Hoh GmbH verbindet die denkmalgerechte Erhaltung mit der Integration neuer, heute unentbehrlicher Funktionen. Weil sie aktuellen Standards nicht mehr genügte, befindet sich in der Doppelturnhalle von einst nach Rückbau der Veränderungen nun die zentrale Cafeteria. Notwendige Erweiterungsbauten wie das inzwischen errichtete Laborgebäude orientieren sich in Position und Proportion am Tautschen Entwurf, nehmen also – soweit es die neuen Gegebenheiten vor Ort erlauben – die städtebauliche Idee auf, bleiben aber in ihrer Materialität als neue Zutaten erkennbar. Der behutsamen Erweiterung steht der subtile Umgang mit den Befunden gegenüber: Dort, wo keine sicheren Zeugnisse des Originals zu finden sind, greifen die Architekten auf eine neutrale Fassung zurück, die sich an den restlichen Befunden orientiert. Das neu erbaute Laborgebäude besteht aus zwei Trakten mit einer Mittelspange zur Aufnahme der Erschließung und Versorgung. 14

hans scharoun, erich mendelsohn und max taut architekten des aufbruchs Drei Architekten – eine Generation. Taut, Scharoun und Mendelsohn prägen die Architektur im Deutschland der Weimarer Republik wesentlich mit. Obwohl ihre Bauten verschiedene Auffassungen und formale Ansätze widerspiegeln, verfolgen sie ein großes Ziel: die Erneuerung der Architektur. Gemeinsam engagieren sie sich in der Vereinigung „Der Ring“, die – von Mendelsohn mitbegründet – alle avantgardistischen Architekten und Künstler im Streben nach einer sozial engagierten Architektur zusammenbringen will. erich mendelsohn 1887 geboren, studiert Mendelsohn zuerst an der Technischen Hochschule in Berlin-Charlottenburg, um anschließend zwei Jahre bei Theodor Fischer an der TU München zu verbringen. Schon seine ersten zeichnerischen Arbeiten zeigen fantastische Visionen, losgelöst von allen Konventionen. Dieser spektakuläre, dynamische Zeichenstrich ist kennzeichnend für all seine Entwürfe. Dass die Umsetzung in die Realität zumindest Anfang der zwanziger Jahre doch beträchtliche Schwierigkeiten verursacht, zeigt der Einsteinturm. Es ist sein erstes und inzwischen wohl auch bekanntestes Werk. Zu Mendelsohns großen Kunden gehört hans scharoun Mit der golden schimmernden Berliner Philharmonie rückt Scharoun an die Weltspitze der Architekten auf – sein wohl wichtigstes, wenn auch spätes Werk. 1956 bis 1963 wird es erbaut, Scharoun ist bei der Fertigstellung bereits 70 Jahre alt. 1893 geboren, studiert auch er an der TH Berlin, allerdings zwei Jahre nach Mendelsohn. Auch Scharoun skizziert Architekturvisionen, unterrichtet 1925 bis 1932 an der Staatlichen Akademie Breslau und tritt 1926 dem „Ring“ bei. 1927 beteiligt er sich an der Werkbundausstellung in Stuttgart, 1929 in Breslau. 1932 eröffnet er ein eigenes Büro in Berlin, das er auch während des Dritten Reiches mit privaten Aufträgen weiterbetreibt. Nach dem auch der Warenhausbesitzer Salman Schocken; für ihn baut er 1926 bis 1928 das legendäre Kaufhaus Schocken in Stuttgart und anschließend eines in Chemnitz. Seine Idee der dynamischen Architektur mit horizontalen Gliederungen und schwungvollen Eckausbildungen zeigt sich hier ganz deutlich. Auch der Berliner Kinobau Universum und das Columbus-Haus gehören zu seinen Hauptarbeiten in Deutschland. Dem kehrt er 1933 den Rücken, emigriert nach Großbritannien, eröffnet ein Büro im damaligen Palästina, baut dort das Hospital in Haifa und Gebäude für die Hebräische Universität in Jerusalem. 1941 wandert er in die USA aus, wo er vor allem für jüdische Gemeinden arbeitet. 1953 stirbt Mendelsohn in San Francisco, sechs Jahre später wird das Kaufhaus Schocken in Stuttgart abgerissen. Zweiten Weltkrieg ist Scharoun als Leiter der Abteilung Bau- und Wohnungswesen mitverantwortlich für den so genannten Kollektivplan zum Wiederaufbau Berlins. 1946 bis 1958 hat er den Lehrstuhl für Städtebau an der TU Berlin inne. Parallel, von 1947 bis 1950, leitet er das Institut für Bauwesen in Ostberlin. Scharoun gilt als Vertreter der „organischen Architektur“, wenngleich er zu Lebzeiten eher ein Außenseiter in der Architektenszene bleibt. Vielleicht auch deshalb, weil er sich stets als Künstler versteht. Dennoch entwirft er so wegweisende Bauten wie die Volksschule für Darmstadt (1951), das Wohnhochhaus- Paar Romeo und Julia in Stuttgart (1955–59) oder die deutsche Botschaft in Brasilia (1963–71). 1972 stirbt Scharoun in Berlin, sechs Jahre bevor die Berliner Staatsbibliothek fertig wird. max taut 1884 wird der jüngere Bruder von Bruno Taut geboren und besucht wie dieser die Königsberger Baugewerbeschule. Während sein Bruder bei Theodor Fischer in Stuttgart arbeitet (vor Mendelsohn), ist Max Taut bei der städtischen Bauverwaltung in Rixdorf aktiv, wo er mit Mies van der Rohe zusammenarbeitet. Danach geht er nach Karlsruhe zu Hermann Billing und eröffnet 1911 sein eigenes Büro in Berlin. Auch Taut gehört zu den Gründungsmitgliedern des „Ring“, entwirft futuristische Bauten und beteiligt sich gar 1922 am internationalen Wettbewerb für die Chicago Tribune. 1918 bis 31 arbeitet er als Partner seines Bruders und Franz Hoffmanns, realisiert in Berlin unter anderem das Gebäude des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (1922–23), das Haus der Deutschen Buchdrucker (1924–25) und zwei Wohnhäuser für die Stuttgarter Weißenhofsiedlung. Im Dritten Reich wird Max Taut von allen Aufträgen ausgeschlossen und kann erst nach 1945 wieder aktiv werden. Bis 1954 ist er dann Professor an der Akademie der Bildenden Künste in Berlin. Max Taut stirbt 1964 in Berlin. erhalten & gestalten 15

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