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KEIM E+H Nr. 6: Walter Gropius und Alfred Arndt: Villa Auerbach in Jena

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Historische Zeugnisse

Historische Zeugnisse aus der Bauzeit: Querschnitt, Grundriss und Fassadenaufriss aus dem Baubüro Gropius. AUFGESPÜRT Die Entdeckung einer verloren geglaubten Farbwelt Wer dem Haus heute einen Besuch abstattet, kann sich kaum noch vorstellen, in welch desolatem Zustand es sich noch vor zehn Jahren befunden hat. Zudem wartet das Innere mit einer beträchtlichen Überraschung auf: Sämtliche Decken und Wände sind in teilweise ungewöhnlich anmutenden Kombinationen farbig gefasst. Sofort fällt ins Auge, dass Farbwechsel nicht immer an Raumkanten auftreten, sondern auch innerhalb der Flächen. Der ungewöhnlichen Gestaltungsabsicht liegt ein originaler Farbentwurf des Bauhausmeisters Alfred Arndt zu Grunde. Erstaunlich daran ist die Tatsache, dass dieser Entwurf lange Jahre als nicht ausgeführt galt und erst bei der Restaurierung der Innenräume unter abblätternden Tapeten wieder zum Vorschein kam. Arndt hatte 1924, zu jener Zeit also, als Gropius mit dem Bau des Hauses begann, gerade seine Lehre in der Werkstatt für Wandmalerei am Bauhaus abgeschlossen. Seine Begabung war Gropius nicht verborgen geblieben, er beauftragte ihn, für die Villa Auerbach ein Farbkonzept anzufertigen. Dieser Entwurf existiert heute noch, aber weder in der Bauhausliteratur noch in Aufzeichnungen ehemaliger Bewohner fand sich ein Hinweis auf dessen Umsetzung. Doch die neuen Eigentümer mochten nicht so recht glauben, dass die damaligen Bauherren, ein aus der jüdischen Intellektuellenschicht stammendes Ehepaar, auf die Ausführung verzichtet hätten. Also wurde mit besonderer Sorgfalt nach originalen Farbspuren gesucht – und siehe da: Man wurde fündig. Die Restauratorengemeinschaft Bruhm & Serfeling aus Jena konnte Befunde einer ersten Farbfassung unter historischen Lampenfassungen, unterhalb von Fensterbänken und hinter Heizkörpern sichern. Und es kamen immer mehr hinzu: Insgesamt ließen sich an den Wänden 37 verschiedene Töne feststellen, die exakt den Arndtschen Entwürfen entsprachen. Eine sensationelle Entdeckung, die zudem die Lehrmeinung von der weißen Bauhausmoderne widerlegte. erhalten & gestalten 4 Nach erfolgter Befundung wurden alle Untersuchungsergebnisse dokumentiert, ausgewertet und alle Farbtöne nachgemischt. Für die Befundung der originalen Lacktöne sowie für die Ausmusterung der Neubeschichtungen erwies sich das NCS-Farbsystem als hilfreich. Jedes Detail brachte die Rekonstruktion des originalen Farbkonzeptes einen Schritt weiter.

Alfred Arndt dokumentierte sein Farbkonzept besonders akribisch und stellte jede Raumsituation in detaillierten und bis heute erhaltenen Entwürfen dar. Der Farbentwurf von Alfred Arndt wird heute im Bauhausarchiv Berlin aufbewahrt und besteht aus sechs Wandabwicklungen für die Wohnräume, vier perspektivischen Sichten in Wohnräume und Flure, zwei isometrischen Darstellungen von Wohnräumen und zwei Deckengestaltungen von Erdgeschoss und erstem Stockwerk. Für jeden Raum des Hauses hat Alfred Arndt ein eigenes Farbkonzept in Tempera und Tusche gezeichnet. Details wie Leisten, Wandschränke, Türen, Fenster und Fensterlaibungen hat er dabei als Gestaltungsmittel einbezogen. Arndt verwendet keine Primärfarben, sondern setzt graue, blaue, beige, türkise und ockerfarbige Pastelltöne ein. Dadurch entsteht ein „weicher“ Farbklang, ergänzt und akzentuiert von architektonischen Details in kräftigem Orange, Grün oder dunklem Blau. Immer wieder greifen Wand- und Deckenbereiche farblich ineinander. Die komplexe, farbarchitektonisch völlig neuartige Gliederung der Innenräume verbindet sich mit der Architektur zu einem einzigartigen Zeugnis der Moderne. Die Befundung der verwaschenen, in Leimfarbe ausgeführten Wandund Deckenanstriche gestaltete sich bisweilen schwierig. Leichter zu erkennen war die Farbigkeit von Türen, Fenstern und Fensterbänken, die mit ölgebundenen Farben behandelt waren. Die farbliche Rahmung von Türen und Fenstern gehört wie die farbig abgesetzten Fußleisten zum Arndtschen Stilrepertoire. erhalten & gestalten 5

ERHALTEN UND GESTALTEN